Rasse des Jahres 2013


Die Tatsache, dass der Thüringer Weißlatz zur Rasse des Jahres 2013 im BDRG auserkoren wurde, erfüllt den Sonderverein der Züchter der Thüringer Farbentauben mit Stolz. Gerne ergreifen wir die Initiative, um diese einzigartige Taubenerscheinung innerhalb der vielfältigen Palette der Farbentauben genauer vorzustellen und den Züchtern näher zu bringen Die Zeichnungsart und das einmalige Farbspiel zeichnen den Weißlatz als Perle unter den Farbentauben aus.

Seine Entstehungsgeschichte und der genaue lokale Geburtsort ist nicht mit absoluter Genauigkeit feststellbar. Züchter aus dem Thüringer Wald haben jedoch maßgeblich den Fortbestand gesichert, die verschiedenen Farbenschläge erzüchtet und für eine starke Verbreitung gesorgt. Im Thüringer Wald hat sich über Jahrhunderte ein Paradies für Farbentauben entwickelt. In den kleinen Dörfern, in schmalen Tälern gelegen, mit plätschernden Bächen und auf den Hochebenen des Thüringer Waldes entlang des Rennsteigs haben sich in den traditionellen Handwerksbetrieben, oft Familienbetriebe, Züchterwerkstätten gebildet, die dem Weißlatz treu geblieben sind. Der oft karge Acker und die meist kleinen Taubenschläge haben nur Zuchten mit wenigen Paaren zugelassen. Allerdings ist durch diesen Umstand auch eine sehr strenge Selektion vorgenommen worden, was sich in der Farbentaubenzucht häufig als segensreich erweist. Weißlatzzuchten haben in verschiedenen Familien über Generationen hinweg einen Fortbestand und sorgen somit für den Erhalt dieser alten Thüringer Heimatrasse.  Möge unser Beitrag zur Rasse des Jahres 2013 den Thüringer Weißlatz in das Licht der Öffentlichkeit rücken. Sollten sich auf diese Weise interessierte Zuchtfreunde für diese Taube finden, so hätte sich unsere Arbeit nachhaltig gelohnt. 

Herkunft und Entwicklungsgeschichte 

Bei Gustav Prütz in „Das Ganze der Taubenzucht“ von Gottlieb Neumeister, 3. Auflage, Weimar 1876 wird unter der Brusttaube (Brüster) vermerkt, dass es auch Brusttauben gibt, bei denen der Kopf, Hals und die Brust weiß sind und das übrige Gefieder farbig, also eine umgekehrte Brustzeichnung. Diese Taube kann der heutige Thüringer Weißlatz gewesen sein. Merkwürdigerweise wird im 10 Jahre später 1886 erschienenen „Mustertaubenbuch“ von Gustav Prütz eine gleichartige Farbentaube nicht erwähnt. Im Schachtzabel von 1925 wird diese Taube als Thüringer Weißbrust bezeichnet, auch der Begriff "umgekehrter Mohrenkopf" wird verwendet. In der noch älteren Literatur von Gesner oder Marcus zum Lamm um 1600 lassen sich allerdings keine Hinweise auf eine ähnlich gezeichnete Farbentaube finden. 

Laut Edmund Zurth war ihr Körpergefieder ursprünglich nur schwarz. So und nicht anders wurde sie Mitte des 19. Jahrhunderts erstmals beschrieben. Mit eleganten und feingliedrigen Federstrichen malte sie der Engländer James C. Lyell 1873. Er hatte alle damaligen Einzelheiten dieser Farbentaube mit akribischer Genauigkeit gezeichnet und sie außerdem mit lobender Wertschätzung als beliebte Farbentauben englischer Taubenzüchter dargestellt. Dieses Bild kann bis in die heutige Zeit als musterprägende und typische Darstellung angesehen werden. Es bleibt festzustellen, dass das erste Modellbild einer Thüringer Weißlatztaube wohl in England entstanden ist. So sehr begehrt die Weißlatztaube einst in England auch war, ihr Stern erlosch und sie geriet auf der Insel in Vergessenheit.  In Thüringen jedoch nahm ihre Beliebtheit zu und immer mehr Züchter kümmerten sich um ihren Fortbestand. Als Stammgebiet werden die Ortschaften Suhl, Zella, Sankt Blasius, Mehlis und Ruhla aus dem nördlichen Thüringer Wald aufgeführt. Somit ist es auch nicht verwunderlich, dass in Zella-Mehlis 1910 der Club der Thüringer Weißlatzzüchter gegründet wurde. Diese Clubgründung ist auch die Grundsteinlegung für den ersten Sonderverein der Thüringer Farbentauben.  Auffällig ist, dass bei Schachtzabel das Auge einheitlich dunkel gewünscht wurde, später zeigen die meisten Weißlätze eine farbige Iris.

 

Durch Vernachlässigung der Rasse entstanden zweierlei Augentypen, dunkel und rot. 1925 war man noch der Meinung, dass das rote Auge weggezüchtet werden müsse. Was in der Zwischenzeit in puncto Augenfarbe beschlossen wurde, erscheint nicht nachvollziehbar. Einer wollte rote Augen, man schwärmte vom „roten Geierauge“, die anderen haben besannen sich auf früher und meinten, das dunkle Auge sei richtig, denn im weißen Federfeld ist die Augenfarbe überwiegend dunkel. An diesem Durcheinander und Machtspiel wäre die Rasse nahezu zerbrochen gescheitert. Als Kompromiss wurde dann schließlich sowohl das dunkle als auch das rote Auge zugelassen. Später wollten dann wiederum einige Züchter die Augenfarbe neu festlegen, alle Lackfarben dunkle Augen und die Pastellfarben (Puderfarben) rote Augen. Es ist nicht dazu gekommen, denn der Bundeszuchtausschuss hat regulierend eingegriffen.Bis zum heutigen Zeitpunkt kommt die Mischfarbe der Augen immer wieder vor, was auf Einkreuzungen zurückzuführen ist. 

 

Nach dem 2. Weltkrieg waren es Demmler, Langenhan und Schlüter, alle Zella-Mehlis, die sich verstärkt um die Weißlatzzucht bemühten, später kamen Schneider und Herbst dazu. Demmler und Langenhan sind Ende der 1950er Jahre in die damalige Bundesrepublik übergesiedelt und sorgten 1962 dafür, dass die belatschten Thüringer Rassen in den SV-West zurückgeholt wurden. Danach hat der Weißlatz im Westen einen mächtigen Aufschwung erlebt. Die Züchterfamilie Schmidt aus Verden hat durch die Vermittlung von Hermann Vogel Weißlätze von Karl Kuhn aus Ilmenau erhalten und damit eine erfolgreiche Zucht aufgebaut. Zur Hauptsonderschau 1973 in Verden wurden 130 Thüringer Weißlätze aufgeboten, eine bis dahin nie erreichte Beschickungszahl. Mit der Einheit Deutschlands hat der Weißlatz nochmals Aufwind bekommen. Zur 90-jährigen SV-Jubiläumsschau 2000 in Plaue/Thüringen wurden 211 Weißlätze von beachtlicher Qualität präsentiert. Im Januar 2011 wurden in Leimbach/Thüringen zur 100-jährigen Jubiläumschau 250 Weißlätze in 11 Farbenschlägen aufgeboten, was auf eine stetig anwachsende Beliebtheit schließen lässt. Auch im benachbarten Ausland, vor allem in Dänemark, werden die Weißlätze heute in beachtlicher Zahl gezüchtet. 

Rassemerkmale, Farben, Zuchtstand und Verbreitung 

Der Thüringer Weißlatz hat eine kräftige Feldtaubengestalt mit fast waagerechter Körperhaltung. Der längliche Kopf ist gut gerundet und breit, damit die volle Rundhaube Platz findet. Der mittellange Hals kommt massiv aus dem Körper und verjüngt sich nach oben bei eleganter Auskehlung. Die Rundhaube soll nicht übermäßig hoch sitzen, von vorne jedoch noch gut sichtbar sein. Eine federreiche Haube und beiderseits gut ausgeprägte Rosetten, ungefähr in Ohrenhöhe schließen die Haube ab. Die Rundhaube sollte immer freistehen und nicht aufliegen. Eine tiefsitzende Haube hat auch tiefe Rosetten und dadurch ein unerwünschtes lockeres Nackengefieder. Die Schnabelfarbe ist hellhornfarbig. Bedingt durch Einkreuzungen neigen manche Farbenschläge zu angelaufenen Schnäbeln. Das Auge ist dunkel oder rot - dabei sollte es auch vorläufig bleiben. Bei den Lackfarben hat sich das dunkle Auge durchgesetzt, gebrochene Augen sieht man in diesen Farbenschlägen daher seltener. Bei den Puder- oder Staubfarben ist das Auge noch überwiegend rot. 

Um der Rasse nicht noch mehr Schwierigkeiten zu bereiten, ist es sinnvoll, es bei zwei Augenfarben zu belassen. Allerdings sollten graugrüne oder hellbraune Iriden in Zukunft keinen Platz mehr finden. Mit Nachsicht müssen die Blaufahlen mit ihren Unterfarben bewertet werden, bedingt durch den Verdünnungsfaktor erscheint die Augenfarbe im ersten Jahr etwas gelblich, später werden sie schön rot. Werden Pastellfarbige mit dunklem Auge gezeigt, so dürfen diese auf keinen Fall benachteiligt werden. Der Augenrand wird fleischfarbig bis rot gefordert, wobei hell bis rot angestrebt werden sollte. Beim schwarzen Farbenschlag sieht man schon überwiegend Tiere mit rotem Rand, jedoch sollten Tiere mit weniger rotem Augenrand nicht zurückgesetzt werden. Weißlätze vereinigen viele züchterische Schwierigkeiten, sodass der Augenrand sich nicht als Hauptkriterium herauskristallisieren darf.

Eine feste Flügellage bürgt für eine gute Rückendeckung, wobei die Schwingen das Schwanzende nicht erreichen sollten.  Der Thüringer Weißlatz soll keine große Belatschung haben, zweifache Zehenlänge ist die richtige Fußbefiederung. Allerdings vollständige Zehenbedeckung bei gutem Überbau. Auf gut ausgeprägte Geierfedern sollte Wert gelegt werden. Hier verläuft eine Farbgrenze und so ist es nicht verwunderlich, dass durch starkes Putzen Lücken entstehen können, was vermieden werden sollte. Laien empfinden die Weißlatzzeichnung oft als eine der apartesten Farbgebungen und Zeichnungsmuster unter den Farbentauben. Weiß ist der Kopf und Vorderhals von der Haube in gerader Linie nach unten gehend, die sich seitlich etwas ausbreiten muss, damit sich eine runde Latzform bilden kann. Der Latz sollte mindestens bis zur Mitte des Flügelbugs reichen. Etwas mehr Latzlänge schadet nicht, jedoch sollte das namensgebende Zeichnungselement nicht über den Brustbeinanfang hinweg reichen. Die Folge wäre ein zu hoher Rückenschnitt. Viel Weiß am Kopf verursacht viel Weiß am Schwanz und aufwärts, dies ist genetisch gekoppelt wie man aus der Mäuserzucht weiß. Weiß ist auch das gesamte Schwanzgefieder mit Schwanzoberdecke und Keil. Der Rückenschnitt sollte ungefähr in der Höhe der Bürzeldrüse gerade verlaufen. Am Keil darf das Weiß bis zum Ende des Brustbeines reichen. Weiß wird auch die Fußbefiederung verlangt, die, bedingt durch die farbigen Schwingen, häufig Probleme aufkommen lässt. Der Fuß ist eine Farbgrenze und zeigt dadurch zum Teil kleine farbige Federchen, diese müssen dann geputzt werden, auch sollten gelegentlich auftretende farbige Zehennägel toleriert werden.


In 13 Farbenschlägen ist der Thüringer Weißlatz anerkannt. Auf den letzten Hauptsonderschauen wurden immer alle Farbenschläge präsentiert. Die Schwarzen sind zurzeit am stärksten verbreitet und zeigen feinen Grünlack, auch in der Bauchfarbe. Zu verbessern ist die Schwingenfarbe, die teilweise besser durchgefärbt sein könnte. Die Augenfarbe ist überwiegend dunkel. Nach dem 2. Weltkrieg hat der Züchter Hermann Herbst aus Dermbach die Zucht der Schwarzen erhalten, oft hatten seine Tiere relativ kleine Lätze, was auf die Einkreuzung von Weißköpfen zurückzuführen ist. Walter Kiermeier aus München hat später den schwarzen Farbenschlag sehr vorangebracht, leider hat er aus unbekannten Gründen die Zucht wieder aufgegeben. Auch Robert Bastian aus Nidderau/Hessen hat über viele Jahre schöne schwarze Weißlätze gezeigt. Zurzeit sind Eberhard Klüber aus Tann/Rhön und Hermann Josef Blum aus Dermbach, ein Verwandter von Hermann Herbst die führenden Züchter des schwarzen Farbenschlages. Die Roten und Gelben sind deutlich weniger vertreten, nicht durchgefärbte Handschwingen sind vorläufig noch in der Musterbeschreibung gestattet. Heute weiß man, dass die aufgehellten Schwingen durch den Erbfaktor dominant Rot hervorgerufen werden. Wilhelm Schmidt aus Verden hat sich sehr lange um diese beiden Farbenschläge bemüht. Einige kundige Züchter haben sich mit der Genetik befasst und Tiere mit dem rezessiven Erbfaktor für Rot (e)  eingekreuzt und nach einigen Jahren die ersten Roten und Gelben mit bester Schwingenfarbe gezeigt. Der Thüringer Weißkopf und auch die Thüringer Schwalbe in rot und gelb haben dabei Pate gestanden. Gute Tiere zeigen immer wieder Hermann aus Pritzwald und Bamberger aus Heuchelheim. Im gelben Farbenschlag ist zurzeit auf breiter Basis ein hoher Zuchtstand bei Eberhard Klüber aus Tann in der Rhön und Edmund Schmidt aus Verden vorhanden. Blau mit Binden, einst der stärkste Farbenschlag hat zahlenmäßig nachgelassen, doch die blaue Grundfarbe wurde sehr verbessert. Heute werden feine hellblaue Täuber präsentiert, gelegentlich könnte die Bindenführung teilweise eleganter und etwas schmaler sein. Täubinnen erscheinen dagegen noch etwas zu dunkel. Die Augenfarbe ist hier überwiegend rot und das soll auch so bleiben, jedoch dürfen feine Tiere mit dunklem Auge nicht herabgesetzt werden. Seit 1975 befasst sich unser heutiger Ehrenvorsitzender Horst Ilgen mit der Neuzüchtung Blau ohne Binden, die 1989 schließlich anerkannt wurden. Mit Hilfe der blauhohligen Mäuser und einer Lahore des gleichen Farbenschlages wurde der steinige Weg genommen. Grundsätzlich muss erwähnt werden, dass ohne den Erbfaktor für hohlig, hohlige Tauben nicht zu züchten sind. Sie spalten nach der Mendelschen Erbregel auf, sind allerdings nicht geschlechtsgebunden.  So kann man aus zwei spalterbigen Tieren durchaus hohlige Tiere ziehen. Das Erstaunliche ist, dass bei den Hohligen auch Täubinnen mit einer feinen hellblauen Farbe fallen. Das Auge ist bei diesem Farbenschlag dunkel, geprägt durch die Einkreuzungen. Um diesen Farbenschlag auf eine breitere Basis zu stellen, werden noch Züchter gesucht. In den letzten Jahren zeigten E. Schmidt aus Verden und Hildegard Blum aus Dermbach blaue Weißlätze in beeindruckender Qualität. Die ausgesprochen apart wirkenden Gehämmerten sind leider nur sehr selten vertreten. Die Blaufahlen (früher Silber mit dunklen Binden) haben einen treuen Züchterstamm und können qualitätsmäßig mit den Blaubindigen verglichen werden. Leider sind viele Täubinnen noch immer etwas wolkig. Die Augenfarbe wird, bedingt durch den Verdünnungsfaktor, erst im zweiten Jahr rot, deshalb muss bei Jungtieren das gelbliche Auge Anerkennung finden. Blaufahl ohne Binden wurde durch Krüger neu gezüchtet und 1991 zur Anerkennung gebracht. Jörg Heydenreich aus Angern züchtet erfolgreich diesen Farbenschlag. Die Blaufahlgehämmerten (vormals Gelercht) sind beliebt und weit verbreitet. Sehr lange züchtet Günter Schneider aus Viernau diese Tauben und er hat bei der Verbesserung dieses Farbenschlages große Meriten erworben.

Die Gelbfahlen (vormals als „isabellfarbig“ bezeichnet) zeigen eine zarte rahmfarbige Grundfarbe, wobei die gelblichen Binden insgesamt schmaler sein könnten, mindestens am Kiel der Handschwingen sollte etwas Farbstoff zu erkennen sein. Werden die Schwingen zu dunkel, so erscheint das gesamte Mantelgefieder sehr unruhig und wolkig. Die Schwanzfedern sollten keine Farbstoffeinlagerungen aufweisen, hier wird eine durchgängig weiße Feder verlangt. Die eng verwandten Gelbgehämmerten sind leider sehr selten. Rotfahle hingegen wurden in den letzten Jahren öfter in relativ guter Qualität gezeigt, die Rotfahlgehämmerten gehören ebenfalls zur Seltenheit. Günter Endert aus Emstroda, Jörg Hausemann aus Zella-Mehlis, Gerhard Baumgart aus Andisleben, Sven Mühl aus Bachhaupten, Guido Wehrbein aus Flecken Zechlin sind nur einige Züchter, die auf den letzten Hauptsonderschauen Weißlätze in den genannten seltenen Farbenschlägen mit höheren Bewertungen gezeigt haben. Selbst der unerfahrene Anfänger kann nach einiger Zeit mit den Weißlätzen zu Erfolgen kommen. Diese aparte Taube hat die auffälligste Zeichnungsart unter den Farbentauben. 

 

Grobe Fehler 

Zu schwacher Körper, schmale oder schiefe Haube, fehlende Rosetten, fleckiger Schnabel, zu kurze Fußbefiederung (Bestrümpfung), mangelhafte Latzzeichnung, sehr hoher Rückenschnitt, viel Weiß im Bauchgefieder, fehlende, weiße oder schilfige Schwingen, farbige Latschenfedern, sichtbare 3. Binde, Bindenansatz bei Hohligen, matte oder unreine Farben. 

 

Ringgröße: Belatschte 9, Glattfüßige 8  

 

Bernd Herbold 

Quelle: BDRG